No Scheitern in Schwaben

Da sitzt sie nun, elegant und grazil, mit übereinandergeschlagenen Beinen und hohen schwarzen Absatzschuhen, auf einem Barhocker, an ihrem Lesetisch, auf einer Bühne: Katrin Bauerfeind.

Nicht, dass sie sojemand wäre wie Madonna. Aber irgendwie will man sie schon mal in echt sehen und herausfinden, ob sie wirklich so porzellanene Haut hat und so schöne kupferfarbene Haare wie im Fernsehen. Denn da ist sie ja öfter zu sehen. Nicht mehr nur im Internet, indem sie nach ihrem Technikjournalismus-Studium von 2005 bis 2007 das satirische TV-Format „Ehrensenf“ moderierte und damit bei Spiegel-Online landete und wo sich Harald Schmidt oder einer seiner Produktionsleiter in die witzige Frau aus dem Schwabenland verliebte und sie in Deutschlands berühmtester Late-Night-Show unterbrachte, die es damals noch gab. 2006 bekam Bauerfeind den Grimme-Online-Award in der Kategorie Kultur und Unterhaltung. Seitdem moderiert sie, führt Interviews, reist um die Welt oder deckt einen Journalismusskandal auf, indem sie einfach mal nachfragt. Scheitern sieht anders aus.

Aber genau das versucht Bauerfeind mit übereinandergeschlagenen Beinen da oben auf der Bühne doch gerade zu verkaufen. Sie sagt, dass das einzige, das sie gut kann, das Scheitern wäre. Sie liest aus ihrer frisch gedruckten Textsammlung „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag“ (2014, Fischer Verlag) Das Ergebnis sei kein Kochbuch ist (sie kann nicht kochen) und auch kein Beziehungsratgeber (sie ist Single) oder Kinderbuch (sie hat keine Kinder). Nein, es gehe um Fehlschläge, von denen Bauerfeind angeblich schon so viele erlitt. Falsch gefärbte Haare, Raucherdiskriminierung oder ländlicher Pärchen-Fetischismus – wer ist nicht schon an solch essentiellen Baustellen verzweifelt? „Vielleicht finden Sie es übertrieben, daraus ein Drama zu machen oder gar ein Buch. Dann sind Sie vermutlich über vierzig.“ Da lacht es im Publikum, in dem einige Übervierzigjährige sitzen und offensichtlich trotzdem hören wollen, dass auch jungen, schönen und erfolgreichen Menschen nicht alles gelingt im Leben.

„Ich fürchte, ich bin typisch für meine Generation: so viele Möglichkeiten und am Ende nur das Gefühl, nichts hinzukriegen.“ Wäre es ein Sachbuch würde sie sich vermutlich nicht trauen, als Stellvertreter einer ganzen Generation aufzutreten. Aber es ist kein Sachbuch, sondern eine Aneinanderreihung lustiger Aussetzer, meistens von anderen, ein Buch voller schlechter guter Ratschläge und voller Meinungsverschiedenheiten zwischen einer emanzipierten, ledigen, dauerrauchenden Frau Anfang dreißig und dem konservativen Rest Deutschlands. „Ich bin der letzte Assi von Deutschland“, befindet sie, weil sich im Publikum immer nur ein paar Raucher melden und sie, laut Buch, schon „ein echtes Nikotinproblem hat, wenn der Sex zu lange dauert“. Bis zur Pause hält sie zumindest ohne sichtbare Anzeichen von kaltem Entzug durch.

Dass es trotz mangelndem Grund, dieses Buch überhaupt zu schreiben, dann doch ein lustiger Abend wird, liegt vor allem an Bauerfeinds einnehmendem Auftritt. Sie kann Bühne. Sie weiß wie man gerade so viel auf die Kacke haut, dass es auch für die weniger originell Lebenden noch lustig ist. Sie kann Stimmen imitieren und tut es an diesem Abend auch. Robert De Niro und eine etwas einfältige Frau namens Sabrina, die auf YouTube erklärt, oder erklären will, wie die „No-Poo“-Methode geht, bei der man beim Haare Waschen aufs Shampoo verzichtet. Eine Stelle, die man nicht im Buch nachlesen kann. Wäre ohne Ton vermutlich auch nicht so unterhaltsam. Ihre Geschichten unterbricht sie gelegentlich, um andere Geschichten zu erzählen. Alles flutscht, es wird gelacht und zugestimmt, nach ihrem Auftritt kommt sie noch zum Büchertisch, zum Signieren. Scheitern, sie zeigt es in Perfektion.

Komisch, denkt man zwischendrin noch, dass die digitale Vorzeigefrau ihre Texte nicht von einem iPad oder einem Kindle (für die über 40-Jährigen, das ist ein E-Book-Lesegerät) abliest. Nicht mal aus ihrem Buch. Sie hat A4-Blätter in der Hand, von hinten sieht es so aus, als wären es nur ein oder zwei. Vielleicht hat sie ja auch schon alles auswendig gelernt, ist ja schließlich ihr Leben, aus dem sie berichtet. Zur Sicherheit schauen die Leute am Büchertisch trotzdem nochmal ins Buch rein, bevor sie es kaufen. Vielleicht mogelt ihnen Katrin Bauerfeind sonst doch ein Kochbuch unter.

 

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